Originally Posted by
Grollig
In Neocron gab es ein komplexes politisches "Gefüge" von Fraktionen und Clans, welches zu 80% durch die Spieler und zu 20% durch eine fortlaufende Storyline, GM Live-Events und Spielerevents unterhalten und entwickelt wurde. Da es irgendwann nichts mehr zu leveln oder an Ausrüstung zu erreichen gab (von WoC mal abgesehen), hat man sich schließlich mit seiner Figur und seiner Spielzeit ganz in dieses "Gefüge" eingebracht.
Manche haben das durch pures Rollenspiel getan, manche durch stumpfes PvP, manche durch einen Mix von beidem. Das Spiel war das, was man selbst, allein oder zusammen mit seinem Clan oder gar seiner Fraktion, daraus machte:
"Werden wir Drogendealer und dealen im Pepper Park mit illegalem Zeug? Oder gehen wir zur City Admin, werden Gesetzeshüter und legen eben diesen Leuten das Handwerk? Gehen wir zu der fetten Immobilienfirma und treiben dann als Kredithaie die Miete für die Appartments ein, die wir verkauft haben? Besetzen wir das Labor von Clan XY, damit unsere Resser heute Nacht darin die gesammelten Rareparts ressen können? Schleichen wir uns in die feindliche Hauptstadt und legen dort ein paar Leute um? Wann war noch gleich das PvP Turnier? Oder das Event am Desert Racetrack? Sagt mal... haben sich die Penner von Clan X eigentlich entschuldigt, daß sie einen unserer Leute aus der Military Base rausgeworfen haben? Nein? Ich denke, dann sollten wir die heute Abends mal mit Baseballschlägern in ihrer Stammkneipe besuchen gehen... was meint ihr? Gehen wir nachher noch ins Gariots Diner auf 'ne Dose Cron? Hey... da greift gerade jemand unseren Outpost an!"
Es gab damals in Neocron IMMER was zu tun, weil man die Freiheit und vor allem auch die Zeit dazu hatte...
(...und nicht endlose Questreihen erledigen, ständig irgendwo Ruf farmen, Arenapunkte, Ehrenpunkte oder Heroic Marken sammeln mußte, um seine Ausrüstung wettbewerbsfähig zu halten).
In WoW hingegen braucht der Spieler sein Hirn nicht großartig anzustrengen. Er braucht sich keine Gedanken über politische Verwicklungen, Clanbündnisse oder Handelsabkommen zu machen. Ihm ist durch die strikte Trennung von Freund/Feind Kommunikation und die weitreichende Instanzierung des Spiels ohnehin nahezu jede Möglichkeit genommen, auf das Spielgeschehen seines Servers Einfluß zu nehmen.
Man kann in WoW nichts tun, was tatsächlich irgendwelche Konsequenzen hätte. Alles ist instanziert! Alles ist für jeden da und jeder darf alles mal mitmachen. Man kommt sich fast vor wie in einem Freizeitpark. Da darf auch jeder mal alle Fahrattraktionen benutzen, inklusive der am Ende abstürzenden Indiana-Jones Minenbahn und dem startenden Spaceshuttle. Aber nach der Fahrt wird alles schön wieder zurückgesetzt. Die anderen fünftausend Gäste wollen heute ja auch noch mal damit fahren.
- Für die PvP begeisterten gibt es BGs und die Arena
- Für die PvE Fans gibt es Instanzierte Dungeons
- Für Jäger und Sammler gibt es das Auktionshaus
Für jeden gibt es seine kleine Welt in der großen Welt. Aber wozu spiele ich eigentlich ein MMO mit tausenden von Spielern wenn ich dann den Großteil des Highlevel Contents nur mit einer handvoll Leuten in irgendwelchen Raidinstanzen, BGs oder Arenen verbringe? Fragt sich das niemand sonst von den Leuten, die WoW so lange gespielt haben wie ich?
Liegt das vielleicht doch daran, daß den WoW-Spielern seit jeher jeglicher Content von den Entwicklern lauwarm vor die Nase gesetzt wird?
Offensichtlich ist es ja gar nicht erst erwünscht, daß der WoW Spieler sich Gedanken über Dinge wie die Storyline macht. Das tun ja auch bereits die Devs für ihn, indem sie ihn regelmäßig mit neuen Instanz- und Itemhäppchen füttern und ihm kurzfristige Ziele vor die Nase setzen, die er erreichen muß, nur um dann wieder neue Ziele zu erhalten. Klar das das schnell langweilig wird, wenn mal ein Patch mit neuen "Epischen Herausforderungen" ausbleibt.
Ich würde es so zusammenfassen:
Wenn Neocron die Tagesschau ist, dann ist WoW eine Nachmittagstalkshow auf irgendeinem Privatsender. Bei der Tagesschau muß man selbständig mitdenken. Bei "Vera am Mittag" wird eigentlich nur erwartet, daß man als Zuschauer hirnlos konsumiert was einem da vorgesetzt wird (die Werbung zwischendurch natürlich inbegriffen).