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View Full Version : Noch ein Tag



Kathleen Ascor
28-02-06, 20:07
Blam!
Und wieder beendete Kathleen das Leben einer feigen Ratte.
Sie näherte sich langsam und starrte einen Moment lang auf das Blut,
das sich nun in kleinen, dunkelroten Tropfen seinen Weg in die untere Ebene der Kanalisation bahnte.
Vermischt mit dem Rost des dazwischenliegenden Gitters tropfte es
ins versiffte Wasser darunter.

Sie war hier um die Kanalisation von Ungeziefer zu befreien.
Diamond hatte sie hier herunter geschickt,
der Konzern, in dem ihr Vater die Jahre seines Lebens verbracht hatte.
Nun, ihr Vater war tot.
Niemand hatte ihn umgebracht, er starb an der Strahlung,
die er sein ganzes Leben lang ertragen hatte.
Den Rest der Familie hatte sie ohnehin nie kennen gelernt,
ihr Vater sprach auch nie gerne darüber. Freunde gab es auch keine. Wieso auch?
In so einer Zeit war sich jeder selbst der nächste.
Blam! Noch eine Ratte verlor ihr Leben im schummrigen Licht der Unterwelt Neocrons.

Kathleen war wütend. Was sollte sie hier,
alleine in dieser düsteren Welt, den Launen eines verständnislosen Konzerns ausgesetzt?
Bisher hatte sie ihr Leben in der Via Rosso verbracht, wo nichts und
niemand ihr etwas antun konnte. Sie hatte im luxoriösen Firmenappartement
ihres Vaters gelebt, der gar nicht schlecht verdient hatte.
Plötzlich fing sie an zu lachen. Gott, sofern es einen gäbe, musste
ein echter Zyniker sein.
Ihr war eingefallen das sie als Kind immer in die Kanalisation des
Nobelbezirks geklettert war, um mit einer alten Nadelpistole
auf Spinnen loszugehen. Sie hatte die wehrlosen Tierchen
regelrecht an die Wände und Fässer getackert, und sich darüber auch noch amüsiert.
Jetzt war sie hier unten festgetackert, mit der imaginären Nailgun eines millionenschweren Molochs.

Nachladen - Kathleen zog das letzte Magazin aus der Tasche.
Verdammt, sie musste wohl für Nachschub sorgen.

Plaza, wie eh und je. Copbots standen sturr da. Leute riefen irgend etwas.
Ein Gentank versuchte sich daran, eine Coladose zu öffnen.
Er drückte zu fest, und die Dose platzte. Wütend schlug er gegen die nächste Wand.
Diese Deppen wurden auch nicht schlauer.
Gezüchtet wurden sie eigentlich für schwere Waffen oder den Nahkampf,
aber Kathleen erinnerte sich wie die ersten Exemplare die sie gesehen hatte
sich im Umgang mit Pistolen oder Gewehren versucht hatten.
Lächerlich, aber irgendwie amüsant war es gewesen.
Sie unterlies es wohl besser, ihn nach der nächsten A&W Filliale zu fragen.

Am Abend saß sie in ihrem kleinen Appartement in den oberen Etagen
des Plaza Sektor eins vor ihrem Terminal und studierte die paar E-Mails,
die irgendwelche Spammer oder Newsbots versandt hatten.
Nichts relevantes. Hoffnungslosigkeit machte sich ein weiteres Mal
in ihr breit.
Ob sie jemals wieder Fuß fassen würde in dieser Stadt,
überlegte sie. Sie würde es probieren.
Zunächst brauche sie Kontakte.
Woher, das wusste sie selbst noch nicht genau,
aber darum würde sie sich in den nächsten Tagen kümmern.
Wäre doch gelacht. Neuer Mut kam in ihr auf. Hoffentlich blieb es eine Weile so.