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View Full Version : Für eine gute Sache ?



Squish
07-12-05, 18:02
Später Abend in einer zerstörten Stadt. Die wenigen noch blinkenden Leuchtreklamen im Tsunami-Sektor zeigen, dass noch etwas Leben in den Mauern steckte. Zwischen all dem Gewühl auch er, welcher wie jeder andere seinen Weg durch eine der Gassen nahm. Eines unterschied ihn jedoch von den meisten, welche sich um diese Zeit durch die Straßen liefen. Er war nicht zum Vergnügen hier. Die Gumis, welche sich am Straßenrand den vorbei laufenden Passanten anboten, ignorierte er schon lange. Es gab ohnehin nichts, womit sie ihn wirklich hätten erheitern können. Davon ab hatte sein Auftrag Priorität, und wenn er etwas abliefern wollte, dann war es saubere und schnelle Arbeit.

An einem der Clubs hielt er an, betrachtete für einen Sekundenbruchteil die beiden Türsteher und lief dann weiter als wäre nichts gewesen. Der Augenblick reicht aus um zu erkennen, dass sie einen Waffenholster trugen, möglicherweise noch eine weitere hinter dem Rücken. Zu Aufsehenerregend, wenn er versuchen würde dort hinein zu kommen. Ja, hier drin sollte sich das Objekt seines Auftrags aufhalten. Er würde also warten müssen, etwas was ihm die Jahre seines Berufes beigebracht hatten. Ruhe und Geduld, und bereit zu sein wenn es soweit war.

Ein paar Seitenstraßen weiter bog er ab, und nahm eine alte Feuertreppe nach oben, um auf das Dach des Hauses zu gelangen. Wenn er sich auf den Sims des Gebäudes legte, würde er einen guten Winkel zum Eingang des Etablissements haben, indem er sein Zielobjekt vermutete. Er musste also einfach nur da liegen und warten. Warten auf den Moment, wo er seine tödliche Fracht mit Überschallgeschwindigkeit in sein Ziel brachte. Der Inhalt war ein Hohlmantelgeschoss mit einer uranhaltigen Ladung. Sein Werkzeug, ein Scharfschützengewehr, peinlich gepflegt und sehr präzise. Leichter Frust kam in ihm auf, als es zu regnen begann und sich feinste Perlen des Regens auf seinem Gewehr zu größeren Tropfen vereinten. Missmutig beobachtete er das Schauspiel, die Feuchtigkeit aus dem Gewehr zu bekommen würde wieder Stunden dauern. Dann konzentrierte er sich wieder auf den Eingang jenes Clubs, vor dem noch eben die zwei Türsteher gestanden hatten. Mittlerweile standen dort mittlerweile 4, man hatte wohl nicht grundlos die Sicherheit am Eingang verstärkt. Sein Ziel sollte auch nicht lange auf sich warten lassen, begleitet von zwei prostituierten, welche sich links und rechts bei ihm eingehakt hatten, stolzierte er förmlich aus dem Etablissement. Das Fadenkreuz senkte sich über dem Kopf seines Ziels und sein Finger spannte sich sachte um den Abzug. Gleich, ja, gleich wäre der Auftrag erledigt. Plötzlich riss das Zielobjekt den Kopf herum, starrte ihn fast schon direkt ins Gesicht, dann verschwand sein Kopf. Ein leichter Schwenk zeigte ihm was los war, anscheinend hatte man ihn doch entdeckt. Ab Boden Hockend saß das Zielobjekt aber immer noch da. Furcht spiegelte das Gesicht dieses Mannes, die beiden Frauchen an sich geklammert und halb vor sich haltend. Dass dies nichts nützen würde musste ihm klar sein, schade nur um die zwei Frauen, welche diesen Abend wohl nicht so schnell vergessen würden.

Kugeln flogen über seinen Kopf und er wusste, es war Zeit den Auftrag zu beenden oder abzubrechen. Er war entdeckt und er hatte nur noch weniger als zwei Minuten, bis sie ihn hier oben schnappen würden. Sein Fadenkreuz senkte sich erneut, sein Ziel saß immer noch gebannt dort unten und ließ sich nicht einmal von den zwei Türstehern bewegen sich zu erheben. Sie waren gerade dabei ihn einfach rein zu schleifen, als sein Gesicht plötzlich mit einem dumpfen Geräusch nach hinten flog. Noch immerleicht zuckend hielt er die zwei Frauen umklammert, bis seine Bewegungen letztendlich aufhörten. Hysterisch versuchten sie sich aus der Umklammerung zu befreien und rannten davon, die zwei Türsteher schafften es endlich den nun toten durch die Tür ins innere des Gebäudes zu bringen. Über sein Opfer wusste er wie immer nicht viel, nur so viel dass er über Menschenleben je nach Laune entschied, wobei er daran ein schon perverses Vergnügen zeigte die entsprechenden Personen so lange wie möglich im Unklaren zu lassen. Niemand, den man ernsthaft vermissen würde.

Mit einem Kopfschütteln packte er sein Gewehr in die schmale Tasche und schnallte sie sich auf den Rücken. Er musste zusehen dass er weg kam, bevor ihn die zwei Securities erreichen konnten, die nun schon dicht hinter ihm sein mussten. Ein leicht unsauberer Schuss, aber immerhin war sein Ziel ausgeschaltet. Dann rannte er los, über die Dächer und von einem Gebäude zum nächsten, bis er plötzlich durch ein moderes Dach einstürzte und einen recht schnellen weg nach unten nahm. Er konnte von Glück reden dass der Boden des sich darunter befindenden Stockwerks noch einigermaßen stabil gewesen war, so endete sein Fall nach nur wenigen Metern. Er rappelte sich auf und nahm die Treppe nach unten, und unten den Hinterausgang. Ein paar Straßenecken weiter bog er mal links und mal rechts ab, versuchte so seinen Verfolgern den Weg zu verschleiern. So schnell würden sie nicht aufgeben, er durfte also nicht außer Atem kommen. Ja, es würde wohl eine lange Nacht werden – jedoch nicht nur für ihn. Irgendwann würden sie aufgeben.

Es war noch früh am Morgen. Ein leichter Nebel zog durch die Gassen des Dome of York, die Sonne stand noch tief am Horizont und deckte die obersten Spitzen der zerstörten Stadt in ein leichtes Gold. Irgendwie gespenstisch wirkte der Anblick dieser Stadt, man mochte kaum glauben, dass diese fast komplett zerfallenen Bauwerke noch Leben in sich bargen. Irgendwo dort unten in diesem Wirrwarr aus herabgefallenen Stahlträgern und Schutt stand eine Person, gehüllt in einer Rüstung. Auf einer Anhöhe stehend hatte er einen guten Überblick über das, was von der Stadt noch übrig geblieben war und blickte der aufgehenden Sonne entgegen. Mit einem Klicken öffnete er sein Visier und blickte einmal über die gesamte Stadt. Das Zielobjekt seines letzten Auftrags, ja, er hatte ihn erwischt, seinen Wachhunden entkommen. Doch wie viele kranke Hirne mochte es noch zwischen all den Überbleibseln der einst so prächtigen Stadt geben? Sicher mehr als genug. Doch immerhin war sein Erfolg zumindest ein kleiner Beitrag zu einer besseren Welt. Sein Com piepte, sicherlich ein weiterer Auftrag. Der erfolgreiche Abschluss seines Auftrages hatte sich sicher schnell herum gesprochen, zumindest das Ergebnis seiner Arbeit. Ohne auf den Absender der Nachricht zu schauen betätigte er einen Knopf und bestätigte somit den Eingang der Nachricht. Und so wie jeder Auftrag würde es das Ausschalten irgend einer ihm unbekannten Person sein. Ein Auftragsmord nach dem anderen. War er besser als andere, nur weil er sein Handwerk im Auftrage anderer einsetzte, und vielleicht damit sogar etwas gutes tat? Gedanken, die er schnell wieder aus seinem Kopf vertrieb. Wenn etwas hinderlich war an seinem Job, dann waren es Gewissensbisse. Etwas, was er sich nicht erlauben konnte.

Er nahm einen tiefen Atemzug, welche auch ein wenig Schwermütigkeit beinhaltete. Wenn er sein Zu Hause so betrachtete, so war es vielleicht nicht für jeden verständlich, wieso er hier blieb. Hier lebten vielleicht sogar noch tausende von Menschen – jedoch war für fast jeden einzelnen die Anonymität gegeben. Viele Bewohner um einen herum und doch lebte man in einer Abgeschiedenheit. Jeder Tag erneut ein Kampf um das eigene Überleben, der Kampf um ein kleines Stück Hoffnung. Es war nicht viel worauf man wirklich hoffen konnte, je realistischer man an die Sache heran ging desto ernüchternder war das Ergebnis. Wichtig war nur, dass man dran glaubte, ein Ziel vor Augen hatte. Mit einem weiteren Seufzen schloss er sein Visier und wandte sich von der Sonne ab, langsam den Schuttberg hinab steigend. Wieder auf sich allein gestellt würde er durch die Straßen ziehen, immer die Augen offen haltend. Es wurde Zeit sich um die neue Aufgabe zu kümmern, irgend etwas, was den Lauf der Dinge positiv beeinflussen könnte. Denn die Hoffnung, die stirbt bekanntlich zuletzt.

Squish
28-04-06, 12:01
Monate war es mittlerweile her, dass er seinen ersten Auftrag im Dome of York angenommen hatte. Mittlerweile hatte er diese eine spezielle Ruine im Dome als seinen Lieblingsplatz auserkoren, an der er seine Flucht nach seinem ersten Auftrag beendet hatte. Und wieder war es einer dieser Morgen, an dem die Sonne über die ersten Dächer der Häuser lag und ein leichter Nebel noch zwischen den Straßen und Gossen hing. Tiefste innere Ruhe durchfuhr ihn, und dieser faszinierende Anblick des Lichtspiels aus Farben und Schatten ließen ihn gedanklich an einen Ort tragen, den er schon seit Jahren nicht mehr gesehen hatte. Wie eine Statue stand er da, bewegte sich nicht einen Millimeter von der Stelle. Und für einen Augenblick, noch immer den Blick auf die aufgehende Sonne gerichtet, dachte er an seine Aufgabe und die vergangenen Tage.

Er war versetzt worden, von Neo Tokio zum Dome of York, aufgrund eines ihm unterlaufenen Fehlers. Nur aufgrund seiner Leistungen gab ihm die Yakuza eine zweite Chance. Einerseits wollten sie auf seine Leistungen nicht verzichten, zum anderen nahmen sie ihm damit die Ehre, welche er sich neu verdienen musste. Doch er war unvorsichtig gewesen, genauso wie in Neo Tokio wurde er letztendlich durch eine Unachtsamkeit erkannt. Und eine weitere Chance würden ihm auch die Yakuza nicht geben.

Mit festem Griff umschloss seine Hand den Griff des Katanas, ruhig atmend und sich selbst den letzten Wunsch erfüllend, den Blick eines Sonnenaufgangs zu genießen. Seine Entscheidung stand fest, es gab nur eine Chance seine Ehre wieder herzustellen. Er zweifelte keinen Moment an jener Tatsache, so selbstverständlich waren ihm die Traditionen und Werte, die ihn sein Leben lang begleitet hatten. Er wusste was ihn erwartete, sollte er sich feige zurückziehen und versuchen zu fliehen.

Langsam sank Hichido auf die Knie, den Blick nicht von der Sonne nehmend, jede Bewegung so kontrolliert und voller Geschmeidigkeit. Beinahe lautlos zog er langsam in einem Ritual das Katana aus seiner Scheide und glitt mit den Fingern über das Blatt. Die Gravur war eine ganz besondere, sie beinhaltete die Namen seiner Familie und einen Vers, der ihn auf all seinen Wegen begleitete: ‚tsurugi wa hito wo korosu buki. tsurugi no waza wa koroshi no waza. donna junsuina kotoba wo mochii, donna taitoru wo tsukeyoutomo koredake wa shinjitsu desu’ ... ‚Das Schwert ist eine Waffe zum Töten. Die Kunst des Schwertes ist die Kunst des Tötens. Egal welch naive Worte man nutzt oder welche Titel man ihr gibt, dies ist die einzige Wahrheit.’ Ja, dies war sein Werkzeug, nun sollte es Instrument der Wiederherstellung seiner Ehre sein. Vorsichtig setzte er die Spitze der Klinge an seine Brust, weiter den Blick auf den Horizont über den Dächern des Domes gerichtet. „Hiermit begehe ich das ehrenvolle Ritual des Harakiri, und stelle die Ehre meiner Familie wieder her.“

Langsam schloss er die Augen und drückte mit einem kräftigen Ruck das Katana gegen seinen Brustkorb. Ohne Widerstand drang die Klinge durch ihn hindurch und trat im Rücken wieder aus ihm heraus. Langsam öffnete er die Augen, versuchte sich zu beherrschen und seinen Blick gerade gegen den Horizont zu richten. Ein leichtes Zucken durchfuhr ihn, doch er bemühte sich um Kontrolle. „Meine Fehler sollen hiermit gesühnt sein“ flüsterte er, mit glasigem Blick weiter auf das Farbspiel der Sonne schauend, welches sich ihm bot. In all dieser Abgeschiedenheit vernahm niemand sein Weggehen, und es würde wohl Tage dauern, bis jemand seine Überreste fand. Keine Nachricht oder Papiere trug er bei sich, als dass man Rückschlüsse auf seine Herkunft gezogen hätten werden können. Langsam senkte sich sein Blick und hob sich kurz darauf wieder, gegen die ihn überkommende Müdigkeit ankämpfend, die ihn in dem Moment seines Todes überkam. So lange wie möglich verbrachte er die letzten Momente seines Lebens mit aufrecht erhobenen Haupt, der Sonne entgegen schauend, welche immer mehr an Kraft gewann. Ein leichtes Lächeln umspielte seine Lippen, seine Erlösung rückte unaufhaltsam näher. Und letztendlich sank sein Kopf leblos ab, der Rest seines Körpers kippte langsam vornüber.

Eine leichte aufkommende Briese wehte über jene Stelle des Toten und wirbelte einen Laubhaufen und Staub auf, welcher sich über ihn ausbreitete als wolle die Natur ihn damit bedecken. Nur die glänzende Spitze seines Katanas wies nur wenig später darauf hin, dass sich an jener Stelle etwas zu befinden schien.